Schottland 🏴
- Ralf
- 4. Juni 2023
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Sept. 2023
Vom See nach Brügge, 14.05.2023
Abfahrt bei strahlendem Sonnenschein. Gerade mal 40 km bis zum ersten Schauer bei der Raststätte Hegau. Wir treffen wenig später Markus und Felix in Endingen, essen leckeren Spargel in einer Straussenwirtschaft.

Tags darauf geht es durch die Vogesen immer Richtung Norden. Knapp 350 km legen wir in Frankreich zurück. Das Wetter meint es gut mit uns. Sanfte Hügel, grüne Wiesen, leuchtend gelbe Rapsfelder unter blauem Himmel und wunderbare Täler wechseln sich ab, kein Verkehr, sehr wenig Ortschaften. 70 km vor dem Ziel erwischt uns der Regen doch noch. Kurz nach der Grenze zu Belgien erreichen wir unser Tagesziel Boullion am Fluss Semois.
Unser nächstes Ziel ist Brügge. „Brügge sehen und sterben…?“ lautet der Titel eines berühmten Krimis. Diesen haben wir uns am Vorabend angesehen und freuen uns sehr auf die mittelalterliche Innenstadt. Nach unserer Ankunft gibt es erst einmal ein belgisches Bier mit Blick auf den Marktplatz und den Belfort Turm. Mit vorgebuchter Eintrittskarte machen wir uns auf dem Weg die 366 Stufen hinauf auf den Turm. Ein wunderbarer Blick auf die Stadt Brügge belohnt uns. Im Film oft als „Scheisskaff“ oder „beschissenes Brügge“ bezeichnet müssen wir sagen, es ist sehr schön und eine Reise absolut wert.

Von Brügge zur Fähre nach Rotterdam, 15.05.2023
„S‘könnt e bissle regnä…“
Unn???: „S‘hat schon beim Losfahrn getrötscht!
Also, Regenmodus rein und Griffheizung auf max - los geht’s durch mittelalterliche Vororte von Brügge, bei denen nicht nur die Häuser geklinkert sind, über klatschnasses Kopfsteinpflaster wahlweise garniert mit Moos, frisch gemähtem Gras oder Bauschutt.
Auch die Pferde, Kuh- und Schafherden am Wegesrand bleiben von der Sonne verschont.
Die erste gefürchtete Nordseebrücke bei s-teifer Brise entpuppt sich bei näherem Hinfahren als Tunnel: himmlisch!, trocken, 14 Grad, so dass Ralf in seiner Heizjacke fast erschwitzt.
Der Traum von „am Ende des Tunnels ist alles anders, die Sonne lacht“ wird mit noch mehr Regen weggespült.
Die nächste gefürchtete Nordseebrücke ist tatsächlich eine Brücke und gut 6km lang - die Windräder nebenan stehen nicht grundlos hier. Die entgegenkommenden LKWs bieten nur sehr kurzfristig Windschutz während wir in Schräglage geradeaus fahren - die Hand bleibt grusslos am Lenker für den bemitleidenswerten Biker auf der Gegenfahrbahn.

Irgendwann, als die Strasse endlich trocken wird, die Goretex-Handschuhe aber innen so nass sind, das sie kaum an- und auszuziehen sind, und die Hände von der Griffheizung fast Brandblasen haben, erreichen wir den Fährhafen von Rotterdam.
Nur 2 Stunden Wartezeit später beziehen wir unsere Luxus-Guckloch-Lounge-Kabine und noch im Hafen von Rotterdam festsitzend geniessen wir „icecream for a lovely couple“.
Links-Rum-Kreisverkehre, 16.05.2023
Mit dem Schlimmsten haben wir gerechnet. Und der Eimer stand am Abend bereit für den hohen Wellengang bei der Fährüberfahrt. Aber nichts. Wie werden von zartem Auf und Ab in den frühen Schlaf begleitet und ebenso wieder geweckt. Okay, sehr früh geweckt.
Nach dem Frühstück spuckt uns die Fähre wieder aus. Passkontrolle.

Und los geht’s ins Land der Andersherum-Kreisverkehre.
Immer gen Norden bei strahlend blauem Himmel durchqueren wir die britische Region Yorkshire & the Humber, machen Pause im kleinen aber feinen Helmsley.
Am frühen Nachmittag erreichen wir unser heutiges Ziel Newcastle. Newcastle upon Tyne ist eine Universitätsstadt am Fluss Tyne im Nordosten Englands. Zusammen mit ihrer Nachbarstadt Gateshead war sie während der industriellen Revolution eine wichtige Drehscheibe für den Schiffbau und produzierende Unternehmen. Heute gilt die Stadt als Hochburg für Wirtschaft, Kunst und Wissenschaften. Die moderne Gateshead Millennium Bridge gilt als Wahrzeichen der beiden Städte.

Kleiner Sprachkurs (wir üben noch):
Edinburgh, 18.05.2023
Wir verlassen Newcastle Richtung Norden - wir wollen ja nach Schottland. Endlich werden die Strassen idyllischer und etwas ruhiger. In hügelig-kurvigem Auf und Ab stellen wir fest, dass die Schaf-, Kuh- und Mückendichte schnell zunehmen. Die Strassen sind gesäumt von Böschungen, Mäuerchen und den riesigen Rapsfeldern.

Dann ist das Ziel der Begierde erreicht: die Grenze zu Schottland. Wir werden von einem beschrifteten Stein, vielen Flaggen, einem schottischen Souvenir-Verkäufer und weiteren Motorradfahrern willkommen geheissen.

Auf den Hügeln herrscht wunderbare Weitsicht, so dass das Meer zu sehen ist. Einen Kaffee später erreichen wir Edinburgh - die Einfahrt ist herausfordernd, es steigt die Zahl an Bussen und Touristen mit jedem Meter, den wir uns dem Zentrum nähern.
Es gibt das berühmte Haggis zum Abendessen. Haggis ist eine schottische Spezialität und besteht aus dem Magen eines Schafes, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt und mit Pfeffer scharf gewürzt ist.

Sightseeing in Edinburgh bedeutet alte Gebäude aus dem Mittelalter. Zahllose Touristen bevölkern die Royal Mile, die vom Edinburgh Castle zum Holyrood Palace führt und tatsächlich circa eine schottische Meile lang ist. Wir reihen uns ein, klappern die Souvenirläden ab, fotografieren dies und das und machen zwischen Palast und Burg ordentlich Kilometer. In der Burg bestaunen wir die schottischen Kronjuwelen, diese bestehen aus Krone, Staatsschwert und Zepter. Im Ganzen gesehen stellen die Ehrenzeichen eine der ältesten Sammlungen europäischer königlicher Insignien dar. Charles II wurde nach der Restauration der Monarchie 1651 als letzter schottischer Monarch mit den Ehrenzeichen gekrönt.
Speyside, 20.05.2023
Wir starten in Edinburg, lassen die mittelalterlichen Steine hinter uns und fahren immer weiter Richtung Norden. Wir erwischen zunächst die Autobahn, kommen dadurch aber gut voran. Wenig später sind wir im Cairngorms Nationalpark- der größte und gleichzeitig zweitjüngste der fünfzehn Nationalparks des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Seine Fläche beträgt 3800 km². Er erinnert uns an die uns bekannten Mittelgebirge.
Bestes Wetter begleitet uns, eine stetige Berg- und Talfahrt bringt uns schliesslich hoch auf knapp 600m.
Die Unterkünfte lassen sich nicht so problemlos finden, wie wir es in der Vorsaison erwarteten. Das Zelt ist zwar mit dabei, aber zum einen lädt das Wetter mit nachts deutlich unter 10 Grad nicht gerade zum Campen ein, zum anderen teilen uns zahlreiche Schilder „no vacancy“ mit, dass für uns kein Platz ist. Dies ist ebenso bei den zahlreichen Bed&Breakfasts so. Wir finden schliesslich den „The Green Inn Room“ in Ballater.

Weiter geht es Richtung Aberdeen, eine weitere mittelalterliche Universitätsstadt. Diese durchfahren wir nur und setzen die Reise an der Nordsee fort. Die Seerobben von Newburgh halten sich sehr zurück, nur zwei vereinzelte können wir entdecken. Über den West Coast Trail geht es immer der Küste entlang. Wir erfahren, was die Menschen von diesem Land schwärmen lässt. Auf den Nebenstrassen ist sehr wenig Verkehr, sensationelle Ausblicke auf das Meer und der blühende Ginster wechseln sich ab. Ein wundervoller Tag.

Wir erreichen Speyside, die für den Whiskey berühmte Region.
Gordon Castle Highland Games, 21.05.2023
Zufällig sind wir bei den Gordon Castle Highland Games ganz in der Nähe. Die gesamte Region scheint sich hier zu treffen, denn es ist allerhand geboten: die Highland Games mit den Disziplinen Steinstossen, Gewichthochwurf, Baumstammwerfen und Gewichtweitwurf. Daneben wird noch Tau gezogen, sich im schottischen Highland-Tanz (Highland Fling) gemessen, im Dudelsack um die Wette geblasen und die Rasse-Hunde vorgeführt. Es ist ein kurzweiliger Tag.

Auf dem Rückweg schauen wir noch an der Küste vorbei, sehen den Bow Fiddle Rock und nette Fischerorte.

Glenfarclas Destillerie, 22.05.2023
Wir machen uns auf den Weg rund um Dufftown, wo die Flüsse Fiddich und Dullan Water zusammen fliessen. Dufftown gilt als Whisky Hauptstadt der Speyside, von Schottland oder sogar der ganzen Welt. Wir stehen zunächst vor der Destillerie Balvenie, die geschlossen hat und uns auf Glenfiddich verweist. Dort gibt es die ersten kleinen Probierfläschchen.
Ein paar km weiter erreichen wir Glenfarclas, hier haben wir eine Führung gebucht. Glenfarclas bedeutet Tal des grünen Grases. Die Familie Grant besitzt und betreibt die Brennerei. Sechs Brennblasen, die größten auf Speyside, befinden sich in der Brennerei und werden direkt von Gasbrennern beheizt. Nach der interessanten Tour gibt es auch hier ein paar Pröbchen für den Abend.

Auf dem Weg nach Inverness gibt es noch Kultur, das Schlachtfeld von Culloden. Die Schlacht von Culloden vom 16. April 1746 zwischen britischen Regierungstruppen und aufständischen Jakobiten fand auf dem Culloden Moor nahe der gleichnamigen Ortschaft östlich von Inverness in Schottland statt und endete mit einem Sieg der Regierungstruppen. Wege, Fähnchen und Steintafeln erinnern an die Frontlinien.
Inverness beschliesst den wunderbaren Tag mit einer schönen Unterkunft und einem tollen Pub-Besuch mit Livemusik.

Loch Ness und Duncansby Head, 23.05.2023
Wir starten erst nach Süden, wollen einen Blick auf den legendären Loch Ness werden. Die berühmte Burg am See - das Urquhart Castle - sehen wir nur vom Strassenrand.

Wir folgen der NC500, die North Coast 500 ist eine 516 Meilen lange Ferienstraße entlang der Nordküste Schottlands. Sie beginnt und endet am Inverness Castle. Bei anspruchsvollem Wetter mit Wind, selten auch mal mit Niederschlag und sehr wenig Sonne erreichen wir die Nordostspitze von Schottland - die Ortschaft John o’ Groats, genannt Duncansby Head. Auf den steilen Klippen steht ein 1924 errichteter Leuchtturm. Spektakulär ist Duncansby Head vor allem wegen seiner zerklüfteten Felsformationen und Felsnadeln, den so genannten Duncansby Stacks.

Nordküste auf der NC500, 24.05.2023
Erstmal ein gutes schottisches Frühstück.

Wir folgen der North Coast 500. Und es hat Wind, viel Wind. So ist die Fahrt durch die wunderschönen schnell wechselnden Landschaften aus Klippen, Weiden, Hochebenen und kleinen Siedlungen nicht nur Genuss.
Zwei Destillerien liegen auch noch auf dem Weg.
Unterwegs stoppen wir an der Smoo Cave, eine kleine Höhle, in der sich ein Wasserfall befindet.

Blick von Zimmer:

Single-Track-Roads, 25.05.2023
Wir folgen weiter der grossen Schleife NC500 um den Norden Schottlands. Es wird idyllisch und abgeschieden. Die nächsten 40km fahren wir auf einspurigen Strassen, heisst, kommt Gegenverkehr, muss in die dafür vorgesehenen Buchten ausgewichen werden. Ein ständiges Auf und Ab an der Küste. Schafe, verträumte Dörfchen, abgelegene Strände, alles, was das Herz begehrt. Und Sonne.



Eilean Donan Castle und Portree, 26.05.2023
Wir verlassen den Norden weiter Richtung Süden. Die Strassen werden wieder breiter, der Verkehr nimmt zu und wir erreichen noch am Vormittag Kyle of Lochalsh, das kurz vor der Brücke zur Hebrideninsel Skye liegt. Das Gepäck bleibt hier im nächsten Hotel.
Die Burg Eilean Donan Castle stammt aus dem 13. Jahrhundert, wurde über die Jahrhunderte immer wieder restauriert und renoviert und befindet sich noch heute in Privatbesitz. Während einer Besichtigung sind die Lebensumstände in den verschiedenen Epochen zu sehen.

Portree, der Hauptort und die einzige Stadt von Skye, steht noch auf dem Programm. Ausser dem kleinen Hafen mit den bunten Häusern hat das Örtchen aber nichts zu bieten.
Zum Abend holen wir am Büdchen Fisherman's Kitchen um die Ecke Fish&Chips.


Skye und Glenfinnan Viadukt, 28.05.2023
Die Insel Skye meint es überhaupt nicht gut mit uns. Wir nehmen uns die grosse Runde vor, wollen zum „Bergpass“ Quiraing im Norden. Schon in Portree werden wir von Nebel und Regen abgefangen. Beim Kaffee beschliessen wir, die Strecke zu kürzen und stattdessen nur den Westen zu befahren. Das verpasste Erinnerungsfoto der bunten Häuserzeile am Hafen wird noch schnell nachgeholt.

Wir stoppen noch zur Besichtigung beim Castle Dunvegan, dem ältesten durchgängig bewohnten Schloss in Schottland und nehmen die Fähre nach Mallaig.
Mallaig ist so etwas wie ein heimlicher Verkehrsknotenpunkt der Highlands: Hier enden der Jacobite Steam Train und die Road to the Isles. Nach herrlichem Fisch zum Abendessen nächtigen wir wieder mit Blick auf den Hafen.
Die Nacht ist kurz, wollen wir doch die Dampflok des Hogwarts-Express auf dem berühmten Glenfinnan-Viadukt live sehen. Und dieser rollt pünktlich um 10:58 Uhr über die monumentale Brücke. Ein Menschenauflauf bietet sich uns, alle Nationalitäten und Sprachen sind im Publikum zu finden, das den Hang mit Blick auf das Viadukt bevölkert.

Wir biegen ab zur Fähre Kilchoan - Tobermory zur Insel Mull. Wieder engste Strassen bringen uns zum Hafen. Am Fährhafen in Craignure schlafen wir in einem kalten Gasthaus.
Isle of Mull, 29.05.2023
Nun wissen wir, warum die Campingausrüstung mit dabei ist. Für die Nacht packen wir unsere Schlafsäcke aus und so wird es doch noch eine warme Nacht. Die Isle of Mull ist für Freunde einspuriger Strassen ein Paradies. Wir umrunden den Norden der Insel, weichen Schafen und Hochland-Rindern aus, die sich uns in den Weg stellen.

Nach jeder Kurve eröffnet sich uns ein neuer traumhafter Ausblick auf Buchten, Inseln, Weiden und so ist Mull mit seinem Hauptort Tobermory ein weiteres Highlight unserer Reise.


Am Nachmittag setzen wir nach Oban über und starten unseren Weg zurück nach Südosten.

Tschüss Schottland, 03.06.2023
Wir starten den Rückweg zur Fähre in Hull und teilen uns die Fahrt in drei Etappen ein, wir wollen uns ja etwas Zeit lassen und ruhige, kleine Strassen fahren. Der erste Stopp wird in Peebles gut 30km südlich von Edinburgh sein. Der Weg dahin ist aber alles andere als entspannt. Es ist spürbar, dass die Linie zwischen Glasgow und Edinburgh wohl die am stärksten bevölkerte von Schottland ist. Wir sind Opfer von einigen Umleitungen in Sterling und Strässchen, die privat und nicht für den öffentlichen Touri-Verkehr vorgesehen sind.

Aber wir werden mit den nächsten beiden Tagen mehr als entschädigt. Leere kleine Strässchen, hübsche Berge und Wälder, Wiesen, Felder und Weiden soweit das Auge reicht.

Nachdem wir die Landesgrenze zu England wieder überquert und mit einem Fotostopp gewürdigt haben, verbringen wir die letzte Nacht im idyllischen Teesdale Naturschutzgebiet, südlich von Newcastle, bevor es schlussendlich zur Fähre nach Hull geht.

Nach zwei sehr langen Fahrtagen durch Niederlande, Belgien, Deutschland und einer Nacht in Luxembourg kommen wir Zuhause an.